Jede/r Zweijährige (und jedes betroffene Elternteil *g*) weiß, dass „SELBA MACHEN“ das absolut Großartigste der Welt ist. Die Frage ist, wann und vor allem weshalb dieser mit einem gigantischen Glücksgefühl gepaarte Drang nachlässt…
Okay – ich gebe zu, irgendwann lässt einfach die Faszination nach, alleine aus einem Wasserglas trinken zu können ;-)
Warum wir basteln?! Da gibt es etliche Gründe, Till hat sich ja schon ausführlich über den Charme, Dinge so aussehen zu lassen, wie man sie tatsächlich haben will, ausgelassen. Ich finde auch, dass der Grad des investierten Aufwands häufig (z. B. beim Schleifen *g*) von anderer Dimension ist im Vergleich zur „gekauften Leistung“.
Aber
auch noch etwas anderes…
Ich
stamme aus einer Familie, in der viel Selbermachen (auch aus ökonomischen
Gründen heraus) angesagt war. Was hätte ich darum gegeben, als Kind mal eine
stinknormale Jeans statt selbstgenähter Hosen tragen zu dürfen! ;-) Aber andererseits erinnere mich sehr gut daran, wie ich mal heulend aus dem Kindergarten heimgekommen bin – weil ich beim Abschluss-Gebet die Hände nicht falten konnte mit den üblichen Fäustlingen ;-) Und meine Oma hat sich hingesetzt und mir über Nacht kleine Fingerhandschuhe gestrickt, jeder Finger in einer anderen Farbe. Diese habe ich jetzt neulich mit zu uns genommen, und in ein, zwei Jahren werden sie Rike passen und ich werde ihr diese Geschichte über die Uroma, die sie leider nicht mehr kennenlernen konnte, erzählen.
Genauso
war es bei uns irgendwie üblich, dass man sich a) mit eher kleineren und b) vor
allem selbstgebastelten Geschenken beglückt hat. So kann meine Schwester noch
mindestens ein weiteres Jahrzehnt lang von den 25 Paar selbstgehäkelten
Topflappen zehren (die peinlichen gestrickten Bettschuhe verschweigen wir
besser…) ;-) Und schon Rike weiß genau, dass ihre Tante ihr dieses
phantastische Tier-Mobile und ihre Lieblingstasche gemacht hat. Ich würde
NIEMALS den Schal, den mir meiner Freundin Martina gestrickt hat, entsorgen!
Für
mich ist es irgendwie schon eine andere Art der Beziehung, die zu selbst
gebastelten Dingen besteht. Zumindest geht es mir auch so, wenn ich selber
etwas (für andere) bastle.
Excaliburs
Scheide, das "Gewand" des Schwertes von König Artus, war aus Leder,
verziert mit Goldstickerei, genäht von Artus' Halbschwester Morgaine le Fay,
und sie war mit einem magischen Zauber versehen, der Artus die Gabe verlieh,
wenig bis kein Blut zu verlieren wenn er verwundet war – dieser ist beim Basteln
(Synonym für Nähen *g*) eingewoben worden ;-)
Warum wir basteln?! Ich finde sogar, der von Till
beschriebene Charme geht noch weiter. Nämlich dahin, etwas erschaffen zu
können, das es vielleicht kein zweites Mal gibt, zumindest kein weiteres Mal in
exakt dieser Art. So ist zum Beispiel die von Claude Shannon inspirierte
„ultimate (most senseless) machine“ die mir mein bester Mann gemacht hat so
ziemlich das ultimativste Geschenk das ich je bekommen habe:
Klar,
es ist vollkommen anmaßend ein Urteil darüber zu bilden, ob gekaufte Geschenke
„schlechter“ sind als selbstgemachte, das ist auch Blödsinn. Schließlich ist
vieles auch eine Frage der Kapazität (oh ja!). Aber vielleicht bin ich doch so
geprägt, dass ich denke, etwas, das der andere FÜR MICH gemacht hat, mit seinen
eigenen Händen, ist mehr wert – weil er mir seine Zeit und auch seine Gedanken
zu dem Gegenstand dazu geschenkt hat, und das ist etwas, das wirklich
unbezahlbar ist! Und so denke ich auch, wenn ich für jemanden etwas bastle.
Zwei
Ks – Kommerz und Kreativität. Nein, die schließen sich nicht aus, so meine ich
das nicht! ;-) Aber ich glaube schon, dass Frickeln die Kreativität fördert. Auch
das Denken: WAS will ich machen und WIE muss ich es machen, WAS brauche ich, WIE
sieht die Konstruktion aus, WAS muss ich beachten? Aus Fehlern lernen gehört
auch dazu (mein Mann zum Beispiel fertigt prinzipiell bei Möbelstücken aus
teurem Holz zuvor einen billigen Prototypen aus MDF an – aus gutem Grund),
zusammen mit einer gewissen Akzeptanz, dass das Ergebnis vielleicht doch nicht
ganz so perfekt geworden ist (siehe unten) . . . Und dann webt man doch ganz
automatisch den Zauber ein, der unverwundbar macht… ;-) Gerade jetzt, vor Weihnachten, mal eine gute Zeit zum Reflektieren. Heute Morgen, als ich beim Bäcker eingekauft habe, groß in der BAMS: „Geschenkideen für jeden“ (zumindest sinngemäß). Also ehrlich, wenn ich nicht mal eine Idee habe, was ich einem anderen Menschen schenken soll (und der mir ja vermutlich etwas bedeutet, sonst würde ich ja nichts schenken wollen) – vielleicht sollte ich es dann besser lassen??
Ich habe also am Wochenende (leider sehr laienhaft) zur Japansäge, Stechbeitel und Feile gegriffen (die Schleiferei und Ölerei erwähnen wir am Rande) und mich an den „Tierformen für Einsteiger“ versucht („DAS GROSSE BUCH DER HOLZARBEITEN“ von Chris Simpson), nachfolgend in verschiedenen Stufen der Fertigstellung zu betrachten (als Unter-/Hintergrund übrigens die selbstgenähte, unverkäufliche, Neid hervorrufende von meiner Schwester genähte Krabbeldecke, um beim Thema zu bleiben *g*):
Zweifellos,
im Handel befindliche Exemplare sehen deutlich besser aus. Einmal im CAD
konstruiert, tausende Male unverändert produziert.
Aber
ehrlich, ich erinnere mich zwar noch an die Geschichte, wie ich meinen ersten
BH gekauft habe – aber nicht mehr exakt daran, wie ich was-auch-immer für
wen-auch-immer gekauft habe. Hier möchte ich auf Pirsig („ZEN und die Kunst ein
Motorrad zu warten“) verweisen, von dem ich gelernt habe, dass Qualität ein
EREIGNIS und keine Sache ist. (Wobei eins meiner Lieblingszitate auch aus diesem
Buch stammt: „You want to know how to paint a perfect painting? It’s easy. Make
yourself perfect and then just paint naturally. That’s the way all the experts
do it.“ *grins*)
Warum
wir basteln?! Weil’s
einfach Spaß macht?!?!?!?!? J Weil man in einen „Flow“ gerät und es
einfach ein Gefühl ist, wie zum ersten Mal alleine aus einem Wasserglas zu
trinken, wenn am Ende des Tages etwas dasteht, das man selbst gebaut hat
(selbst wenn es viel individueller ist als geplant weil der Mann jemand
die Vorlage des Hundes falsch kopiert hat *hüstel*)? Eine autotelische
Tätigkeit, die Aktivität als Ziel, die Handlung des Bastelns rechtfertigt das
Basteln… Ich meine, wir haben keinen Fernseher – aber mir hat bisher auch noch
niemand wirklich erklären können, was es einem bringt, Zeit davor zu verbringen
(außer Zeit davor verbracht zu haben).
Ein
Freund von mir hat in seiner Jugend Fliesenleger gelernt, dann Architektur
studiert, ein paar Jahre als Architekt gearbeitet – um nun wieder als
Fliesenleger tätig zu sein, weil er das Gefühl am Abend, wenn er auf x m² neues
Bad schaut, so unendlich viel befriedigender findet…
Ach
ja – zu Weihnachten wünsche ich mir eine Laubsäge… J Die Pläne was ich mit der so alles realisieren
möchte sind schon in meinem Kopf! Und der Mann kriegt das Okay für eine
kleine Bandsäge, wenn ich mal Blasen an den Fingern habe.
Warum wir basteln?! Weil heute Sonntag ist und die Läden
folglich geschlossen sind, was bedeutet, ich kann keine schönen Tiere für Rike
kaufen! ;-)
Um
auf die Eingangsfrage zurück zu kommen: Klar lohnt es sich!
Oder auch: Genug philosophiert, hinunter in den Keller! J
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